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IGNORIERT

Death Stranding - Willkommen im 21. Jahrhundert


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Death Stranding


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Entwickler: Kojima Productions | Publisher: Sony Interactive Entertainment | Plattform: PS4
Genre: Strand | Preis: 69,99 € [Stand: Mai 2020] | Erschienen am: 8.11.2019


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Der Nihilismus der Moderne


Um es gleich vorwegzunehmen: ich habe mich in Kojimas neuestes Game geschmissen, als ob es kein Morgen gäbe - und wurde zunächst bitter enttäuscht. Das leuchtende, fliessende, fantasiereiche Metal Gear-Universum erwartend, wurde ich mit beinharter, knochentrockener, dennoch physikalisch korrekter Realität konfrontiert - und dem völlig unterfordernden Spielprinzip, Fracht von A nach B zu tragen. Nur die Neugier, wie die Story denn nun weitergeht, hat mich dazu bewegt, die ganzen Mühen und die Plackerei auf mich zu nehmen, bis ich es irgendwann endlich begriffen hatte, was Kojima eigentlich sagen will: im Grunde tun wir, egal, was wir zocken - ob wir nun als Arthur Morgan durch die Prairie reiten oder als Nathan Drake Schätze heben - in Wirklichkeit nur Fracht von A nach B tragen, ganz einfach, weil wir an nichts glauben.

 

Woran wir glauben ist klar, nämlich dass wir alleine mit einem Controller in der Hand vor unserer Konsole sitzen, während die anderen den Spass ihres Lebens haben. Genau diese Einsamkeit hat Kojima, der sich, wie er sagte, nur in Gesellschaft einsam fühlt, dazu bewegt, völlig kompromisslos, schon fast berserkerhaft alles aus dem Spiel zu nehmen, was einen davon abbringt, zu sich selbst zu finden: Menschen existieren nur noch als Projektionen, die ursprüngliche Motivation, für das was man tut bleibt analog zum echten Leben im Unklaren und eine Gegenleistung für die erbrachten Taten bekommt man abgesehen von ein paar Likes nicht. Kojimas Kunstgriff ist, dass er das Gameplay Fracht von A nach B zu tragen, einfach als Metapher einsetzt und durch den geschickten Einsatz unzähliger visueller und auditiver Tricks, die im Gegensatz zu Metal Gear allesamt versteckt sind, und sehr subtil, dafür umso nachhaltiger wirken, einen für kurze Zeit von der Last befreit, ein Mensch in dieser Welt sein zu müssen.

 

Kojimas neuestes Kunstwerk lässt sich am besten anhand seiner Wirkung beschreiben: nachdem das, was man tut egal und nicht wirklich wichtig ist, nachdem keine "echten" anderen Charaktere da sind, mit denen man interagieren kann und abgesehen von ein paar liefersüchtigen Mules niemand da ist, den man bekämpfen muss, findet man unverhofft etwas, womit man überhaupt nicht mehr gerechnet hatte, nämlich sich selbst. Das ist der Knackpunkt, der Dreh- und Angelpunkt des kompletten Games, nämlich in Zeiten von Social Media oder "Face Time", wie Kojima es nennt, der üblichen Multiphrenie abzusagen und sich damit abzufinden, zuallererst allein, aber nicht einsam zu sein. Im Gegenteil, gibt es grade dann viel zu entdecken, weil endlich die Perspektive stimmt.


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Die Social Media Komponente


Ist das Game das Geld wert? Kurz gesagt, nein. In PSN Partys bekomme ich oft zu hören: "Scheiss Wandersimulator" oder "Wie kannst du das nur immer noch zocken?". Bin ich es mir wert? Definitiv. Ich kenne auch einige, die sich das Game gekauft haben, aber irgendwo in den ersten Missionen steckengeblieben sind und es seitdem nicht wieder angerührt haben. Wie soll in unserer verschwenderischem Konsumgesellschaft überhaupt noch irgendetwas etwas wert sein, wenn von allem zuviel vorhanden ist?

 

Ich meine, wieviel Menschenkenntnis ist notwendig, um nicht zu wissen, dass es Naughty Dog und Rockstar gibt und dann noch hoch oben in den Wolken irgendwo in unerreichbarer Ferne Hideo Kojima? Sicher ist, nachdem er Konami verlassen und sein eigenes Studio gegründet hat, plötzlich sein Gehirn auf Erbsengrösse geschrumpft und er weiss auf einmal nicht mehr, wie man Gameplay programmiert. Wer so etwas tatsächlich in Erwägung zieht, kann ja mal für ein paar Minuten eines seiner früheren Games einlegen, um sich nochmal das Gefühl für die siebten Weltwunder, die er erschaffen hat, ins Gedächtnis zu rufen.

 

Dann gibt es noch Freunde, die neugierig bis leicht verunsichert fragen: "Warum zockst du das Game eigentlich? Was macht dir daran Spass?" Dann stehe ich meist wirklich vor einem Problem. Selbst in Zeiten von Share Play und Live Stream kann man niemandem wirklich erklären, worum es in dem Game eigentlich geht, ausser derjenige nimmt selbst und besser alleine den Controller in die Hand. Es ist wie wenn zwei Menschen im Museum vor einem Gemälde stehen, der eine sagt "grün und weiss, genau die Farben, die ich nicht mag", der andere sagt "Wo siehst da einen See?". Genauso wird derjenige, der mich zu Death Stranding befragt, mit dem Game eine völlig andere Erfahrung machen, ganz einfach, weil er seine eigene Welt hineinprojezieren wird oder kurz gesagt einfach nicht ich ist.

 

Manchmal kriegen sie einen auch dran, und man glaubt wirklich nur Fracht von A nach B zu tragen, und dass das auf Dauer viel zu eintönig und stupide ist und es tausend lohnenswertere und verlockende Games zu zocken gibt. Dem wirkt zum Glück der von Kojima in einem Interview beschrienene "War Letter"'-Effekt entgegen. Damals in Kriegszeiten hat ein Soldat einen Brief an seine Frau geschrieben, ohne zu wissen, ob er überhaupt ankommt. Als die Frau den Brief schliesslich bekommen hat, wusste sie nicht, ob ihr Mann noch am Leben ist, in jedem Fall hat sie versucht nachzuvollziehen, worum es ihm zu dem Zeitpunkt ging, als er ihn geschrieben hat.

 

Analog dazu, findet man in Death Stranding Hinterlassenschaften von Spielern, ohne mit ihnen interagieren zu können und fragt sich z.B. warum der Spieler ausgerechnet hierhin einen Generator hingebaut oder ob die verlorene Fracht dort hingelegt wurde oder sie einfach während eines Kampfes in Eile wegeworfen wurde.

 

In Death Stranding, ist in Zeiten von "Face Time", wo einen jederzeit ein Social Media Ion aus dem Nichts anspringen kann, nichts direkt, erst recht nicht die Dialoge. Es ist wahrscheinlich intellektuelleren, lyrisch bewanderten Gamern vorbehalten, über doppeldeutige Sprüche wie "Du hast dir sicher den Rücken kaputtgemacht." bis hin zu Kapitelnamen wie "Verbringe die Zeit bis zur Amtseinführung des Präsidenten" verhalten zu schmunzeln. Eines ist sicher: die Fussstapfen, die Kojima hinterlässt, sind nicht erst seit Metal Gear Solid V so gross geworden, dass man froh sein kann, wenn man es überhaupt noch schafft, auf den Zug aufzuspringen.


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It's Movietime


Nachdem nun auf das Gameplay und die soziale Wahrnehmung von "Death Stranding" hinreichend eingegangen wurde, ist es natürlich kein Wunder, dass sowohl bei Gamern als auch bei Kritikern eine bemerkenswert gespaltene Meinung vorherrscht, je nachdem wie vordergründig die Wahrnehmung des Gameplays ausfällt. Worin sich die meisten jedoch einig sind, dass die zusammengerechnet knapp zehn Stunden Zwischensequenzen der Story einen völlig unvergleichlichen Zauber entfachen.

 

Nicht nur, dass die oscarreifen Performances von Mads Mikkelsen als Vater/Bösewicht und Lindsay Wagner als Mutter/Schwester/beschützender Geist einen schon völlig in den Bann ziehen, Kojima legt wie immer noch eine grosse Schippe drauf und kreiert eine glaubwürdige Science-Fiction-Welt eines zerstörten Amerikas, das mal wie ein Mondkrater, mal wie Island, dann wiederum wie die Alpen wirkt. Nichts ist wirklich real, ist die grosse Message des Games und der Mensch ist zum Träumen bestimmt, anstatt am Spiegel der Selbstbetrachtung zu zerbrechen.

 

"Wenn du eine Sache gut machen kannst, dann kannst du alles gut machen.“ ist Kojimas lapidare Antwort auf die Frage, warum er nun vorhat, mit Kojima Productions auch Filme zu produzieren. Den beissend ironischen Unterton seiner bewusst naiv formulierten Aussage mal dahingestellt, bin ich ehrlich gesagt zwiegespalten, ob ich das ungeachtet der Tatsache, dass Kojima die meisten Regisseure Hollywoods wahrscheinlich in die Tasche stecken würde, überhaupt begrüssen würde. War er mit der "Metal Gear"-Saga auf Augenhöhe mit Legenden wie James Cameron ("Aliens", "Terminator 2") oder John Woo ("Hard Boiled", "Bullet In The Head"), bewegt er sich nun mit "Death Stranding" auf dem Level von altbekannten Grössen wie David Lynch ("Wild At Heart", "Lost Highway") oder Ridley Scott ("Alien", "Blade Runner"). Nur dass im Austausch gegen ein paar Pixel und Bytes die Interaktivität seiner Games in meinen Augen viel mehr wert ist, als zwei Stunden passiv auf der Couch zu hocken, nur um daraufhin wieder alles zu vergessen.

 

Im Grunde schliesst "Death Stranding" nahtlos an "Blade Runner" an. Schaut man sich den SF-Klassiker von 1982 einfach nur so an, wirkt er bemerkenswert krude, schon fast menschenverachtend und man fragt sich, worum es in dem Film überhaupt geht. Hat man aber verstanden, warum Deckard in der letzten Szene ein Einhorn auf den Tisch legt und guckt sich das Ganze dann nochmal mit der richtigem philosophischen Einstellung an, kann man ungestört seinen Träumen nachhängen und entdeckt hier und dort etwas Neues. Menschen gibt es keine mehr, alles nur eine mentale Projektion des Selbst in einer komplett ausweglosen Welt, in der man sich zwangsläufig die Zeit mit viel Ein- und Ausleserei vertreiben muss.

 

War Scotts Zukunftsvision vielen anderen Filmen seiner Zeit Lichtjahre voraus, so gilt nichts anderes für Kojimas "Death Stranding", nur dass es dauern kann, bis man beim Zocken wirklich vom Einhorn ausgeht und sich das State Of The Art-Meisterwerk in Sachen Subjektivität einem voll und ganz erschliesst. "Heartman Will Return" hat Nicolas Winding Refn in einem Tweet gepostet, was viele als Hinweis auf eine Fortsetzung von "Death Stranding" gedeutet haben. Nur dass, wenn man zwischen den Zeilen liest, Heartman natürlich "zurückkommt", nämlich alle paar Minuten durch seinen Defibrilator. Kojima ist mittlerweile zum Meister der Doppeldeutigkeit avanciert und schafft es sogar, nicht nur in seinem neuesten Game die heutigen Social Media Gewohnheiten subversiv auszukontern. "Death Stranding" wird wahrscheinlich das erste und letzte derart aufwendige SF-Kunstwerk seiner Art bleiben, wenn wir Gamer es nicht endlich auf die Reihe bekommen, zwischen den Zeilen zu lesen, anstatt alles als gegeben hinzunehmen.


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Die Wertung:


Grafik:

 

Ich denke der neue grafische Stil Kojimas lässt sich am besten an der Scharfstellung der Linse bei den Energydrinks oder auch am Zoom auf das Packseil festmachen, er ist zwar extrem fotografisch oder cinematografisch, zugleich aber auch als illlusionär oder kryptisch zu bezeichnen. Konnte man bei MGSV noch in das anheimelnde Dunkel der Nacht abtauchen, wirkt der ewige Tag zunächst ziemlich grell wie von einer 1000W-Birne beleuchtet, man gewöhnt sich aber ziemlich schnell dran, da ein angeschalteter Flatscreen quasi soundso etwas von einer erhellenden Sonne hat.

 

Schafft man es erstmal aus der ersten Einrichtung raus, staunt man nicht schlecht über die phänomenal und sehr gefühlvoll inszenierten Landschaften, die sich einem auf dem Weg von einer Mission zur nächsten offenbaren. Nicht selten ertappt man sich dabei, sich viel länger als eigentlich nötig an dem Gang der Wolken, den saftig grünen Wiesen oder den spiegelnden Flussläufen zu erfreuen, die ganze Grafik wirkt insgesamt, egal wo man hinschaut, wie aus einem Guss. Ob nun isländische Vulkanlandschaft, dunkle Felsspalten, rote Marserde oder die milchige Sonne die hoch oben in dem verschneiten Bergen durch die Wolken sticht, stets hat man das Gefühl einem kleinen Wunder beizuwohnen, das irgendeinem höheren, im Leben nicht zu begreifenden Plan folgt.

 

Wie genial der digitale Pinselstrich des Grossmeisters wirklich ausfällt, lässt sich nur mit zugeschaltetem HDR auf einer PS4 Pro bestaunen - plötzlich sind die Farben nicht mehr fest, sondern leuchten von innen heraus und egal, wo man hinschaut, wirkt alles noch um eine grosse Spur zaubrischer und verträumter. Sicher war auf Grundlage der "Horizon Zero Dawn"-Engine und unter der Mitwirkung des PS4-Entwicklers Mark Cerny nichts anderes als eine butterweich laufende Grafikbombe zu erwarten, aber man sollte nochmals herausstellen, wie genial die Grafik ist, nicht wie gut sie aussieht. 4K oder HDR hin oder her, man sollte zum Spielen von Death Stranding in jedem Fall Besitzer eines grossen Flatscreens sein, da die Schrift viel zu klein ausgefallen ist, aber dies hier ist sicher nicht das erste oder letzte Playstation-Game, bei dem das der Fall sein wird.

 

100 / 100


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Sound:

 

Ein Grossteil der absorbierenden Atmosphäre von Death Stranding ist abgesehen von der Grafik dem Sound Design zu verdanken, das dem von altbekannten SF-Blockbustern wie z.B. "Aliens" oder "Star Wars" in nichts nachsteht. Ob nun das Surren und Fiepen des Odradek-Scanners bei drohender Gefahr, die brachial wummernden, fabrikhaften Sounds innerhalb der grossen Verteilerzentren oder das einsetzende Pfeifen des Windes kurz vor einem Schneesturm, viel von der eigenwilligen Poesie von Death Stranding würde ohne den perfekt durchdachten Sound verlorengehen.

 

Besonders an dieser Stelle hervorzuheben ist der stets unauffällige, aber genau den richtigen Ton treffende Score von Ludvig Forssell, nicht nur in den Cutscenes, sonders besonders die sparsam dosierten, wie aus dem Nichts auftauchenden, kurzen Melodien auf Wanderschaft, die einem die harten Missionen auf magische Art und Weise erleichtern.

 

Schliesslich setzen während der einen oder anderen Mission Songs, hauptsächlich von Low Roar ein, dessen melancholische, bewusst asynchrone Post-Rock-Tracks sicherlich nicht jedermanns Geschmack sind, aber zumindest in Kombination mit der ansonsten oft vorherrschenden Stille eine sehr interessante Dynamik entwickeln.

 

100 / 100


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Story:

 

Dass die rund um Zeitregen, gestrandete Wale und Dooms-Wiederkehrer Sam spielende Story einmal mehr zeigt, dass Mastermind Kojima in der Lage ist, ein komplett eigenes Universum zu entwickeln, überrascht an dieser Stelle wahrscheinlich niemanden. Dass man nach einmaligem Durchspielen des Games praktisch genauso schlau wie nach dem Anschauen der Teaser und Trailer ist, wahrscheinlich umso mehr. Einen Grossteil dazu beigetragen hat auch hier einmal mehr Art Director Yoji Shinkawa, der auch schon bei allen "Metal Gear"-Teilen mit an Bord war und z.B. solche Sachen wie Fragile mitsamt merkwürdigen Regenschirms einfach so aus dem Nichts zeichnet, was dann wiederum Kojima dazu inspiriert, dies zu einem integralen Bestandteil des Games werden zu lassen, ohne zunächst zu wissen, worauf er sich letztendlich genau einlässt.

 

Die Story in Kürze: Sam, der als Dooms-Wiederkehrer gegen den allerorts einsetzenden Zeitregen, der Personen und Dinge schneller altern lässt, immun ist, begibt sich auf Anraten des am Wiederaufbau des zerstörten Amerikas interessierten Die-Hard Mans auf die Suche nach seiner von Terroristen gefangengehaltenen Schwester Amelie. Da die Suche nach ihr gleichbedeutend damit ist, ein globales Netzwerk zwischen den United Cities Of America, kurz UCA, aufzubauen, akzeptiert er seine Heldenrolle nur widerwillig, und sieht sich von nun an mit geisterhaften GD-Wesen, störrischen, in Bunkern hausenden Weltuntergangsfanatikern, kurz Preppers, und terroristischen, nur an seiner Fracht interessierten Mules konfrontiert.

 

Dass mit dieser kurzen Zusammenfassung der Story nicht mal ansatzweise genüge getan wird, dürfte jedem der auch nur die Trailer gesehen hat, völlig klar sein, allerdings würde an dieser Stelle eine Interpretation viel zu ausufernd ausfallen. Stattdessen Lob an dieser Stelle für Kojima, der eine kohärente Zukunftsvision entwirft und die Frage nach dem Wesensursprung all unserer Handlungen und Motivationen stellt, grandiose, einmalige Figuren wie Amelie, Die-Hard Man oder auch Clifford Unger und spektakuläre Schauwerte wie halluzinatorische Traumsequenzen oder Geister, die einen Bruch im Raum-Zeit-Kontinuum verursachen, mühelos zu einem SF-Blockbuster der Superlative vereinigt, dessen mytholgischer, spiritueller Charakter dem eines "Star Wars" von 1977 in nichts nachsteht. Abzüge in der B-Note hätte es von mir normalerweise an dieser Stelle für die viel zu ausufernden Dialoge - insbesondere die erdkundehaften Belehrungen von Heartman fallen hier negativ auf - gegeben; da man aber letztendlich analog zum echten Leben mit allerlei Zeug wie z.B. Extinktionsentitäten, usw. vollgequasselt wird, das man nicht wirklich verstehen kann oder will, und ohne die Story bei den ganzen Filmen, Games oder Büchern im unseren Regalen eines der wichtigsten Kunstwerke überhaupt an uns vorbeigegangen wäre, an dieser Stelle dennoch die Höchstwertung.

 

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Gameplay:

 

Nachdem das Gameplay in diesem Spiel nur als Metapher eingesetzt wird und weit höheren Zwecken dient, müsste eine Wertung an dieser Stelle eigentlich entfallen. Und dennoch: wer Death Stranding als beispielsweise Wandersimulator abtut, hat das Spiel nicht mal ansatzweise kennengelernt. Schon im kleinen Open World-Arreal der östlichen Region kann mittels eines Generators ein Motorrad freischalten. In der zentralen Region kann man schliesslich sich über den Strassenbau das Leben erleichtern und Mules die Trucks klauen und schliesslich kommen ab Mamas Labor noch Selrutschen mit ins Spiel, mit denen man - entsprechendes Verständnis für deren strategischen Wert vorausgesetzt - die meisten Missionen in der Luft abwickeln kann.

 

Für mich zerfällt das Gameplay in zwei klare, völlig ungleiche Hälften: das während der Story, in der das simple Spielprinzip als so etwas wie Urlaub für die geplagte Spielerseele angelegt ist, und den freien Modus nach der Story bei Erspielen der Platintrophäe, für die man noch weitere 125-175 Stunden einplanen kann. Während man bei ersterem zwar alle Tools in die Hand bekommt aber meistens wegen fehlender Eigeninitiative nicht darauf kommt, sie einzusetzen, sieht die Sache für Trophäenjäger auf einmal völlig anders aus, wenn alle Stationen der UCA beitreten müssen, die Spielschwierigkeit auf schwierig umgestellt werden muss und es verpflichtend wird, Missionen mit "S Legend Of Legends"-Rang abzuschliessen.

 

Plötzlich spielen unzählige, sich gegenseitig beeinflussende Faktoren eine Rolle: baue ich eine Schutzhütte, um dorthin schnellreisen zu können, was aber stark zu Lasten der chiralen Bandbreite geht? Rüste ich eine Seilrutsche mit Chemikalien und speziellen Legierungen auf, um deren Haltbarkeit und Reichweite zu erhöhen oder verwende ich die Materialien lieber für den Bau für die für den Kampf gegen die GDs benötigten Raketen- und Granatwerfer? Welche UCA-Station levele ich zuerst auf, welches Seilrutschennetzwerk oder welche Missionen bringen erstmal den grössten Nutzen? Und so weiter und so fort, man kommt in jedem Fall vom hundersten ins tausendste und hat fast immer alle Hände voll zu tun.

 

Kojima ist in jedem Fall nichts vorzuwerfen: während im Verlauf der gesamten Story das Gameplay quasi nicht vorhanden ist, um dem Gamer stattdessen so etwas wie einen leeren Spiegel zu präsentieren, in den er alle seine Wünsche, Ängste und Hoffnungen hineinprojezieren kann, gibt er ihm währenddessen dennoch alle Tools in die Hand, um ab Kapitel 15 voll durchzustarten, natürlich nur gesetzt den Fall, dass man sich selbst so einer Herausforderung stellen will. Ich denke, viele werden nach dem entspannten, urlaubhaften Charakter des Story-Gameplays die einen nun erwartende harte Arbeit scheuen, während andere es begrüssen werden, endlich eine würdige Herausforderung gefunden zu haben, an der sie wachsen und sich mit anderen messen können.

 

Dass das nur dann unglaublich komplexe und fordernde Gameplay seinerzeit aufgrund der knapp bemessenen Zeit zum Testen nicht den Weg in die meisten Kritiken gefunden hat, ist natürlich bedauerlich, aber es zeigt sich einmal mehr, dass eine echte Kritik von Kojimas Games eigentlich nur nach mehrmaligem Durchspielen möglich ist.

 

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Umfang:

 

Mit circa 50 Std Spielzeit, zwei Open-World-Arrealen und knapp 10 Stunden Cutscenes natürlich enorm. Dennoch haben sich Freunde bei mir beklagt, dass das Game so kurz sei, und dass es maximal 5 Stunden gedauert haben soll. Mithilfe eines kurzen Klicks auf Brückenlinks und dann der X-Taste konnte ich sie dann doch eines Besseren belehren, dort ist neben umfangreichen Statistiken auch die Gesamtspielzeit verzeichnet. Und vor allem wieviele der insgesamt 70 Missionen für Sam und den 500 Standardaufträgen überhaupt abgeschlossen wurden und auf welchem Rang. Ich denke dieser interessante Effekt ist neben des verträumten Charakters des Games auf die absichtliche, völlige Unterforderung beim Gameplay zurückzuführen und spricht einmal für Kojimas Stategie dem Gamer nicht das zu geben, was er will, sondern das was er braucht. Einfach mal abschalten, die Seele baumeln lassen und die Landschaft geniessen, sind ihm viel mehr wert, als das übliche "Kämpfen um zu überleben"-Prinzip.

 

Bei Erspielen der Platintrophäe wächst der Umfang übrigens um das Drei- bis Vierfache. Es sind längst nicht alle UCA-Stationen erschlossen worden, und die meisten, die bereits erschlossen wurden sind ebenfalls nicht auf das maximale Verbindungslevel gebracht worden. Hat man dieses erreicht, trudeln übrigens nach und nach vermehrt E-Mails ein, die auf merkwürdig leuchtende Objekte hinweisen. Dieses sind über beide Maps verstreute Speicherchips, mit denen u.a. ein spezielles Motorrad freigeschaltet werden kann, dass sowohl über einen grossen Akku als auch über eine Ladefläche verfügt. Alle, die es partout nicht mögen, Trophäen zu erspielen, können sich auch einfach selber über die eingangs erwähnte Brückenlinks/X-Tasten-Kombination Herausforderungen suchen, die sie interessieren.

 

Der Wiederspielwert ist abgesehen von der hochkomplexen Story allein schon deshalb enorm, da man beim ersten Durchspielen nur an der Oberfläche kratzt, während die Trägheit der eigenen Wahrnehmung darüber entscheidet, ob man die zur Verfügung stehenden Gameplayoptionen überhaupt in Anspruch nimmt. Warum eine Antimateriebombe zu Fuss nach Mountain Knot City tragen, wenn man auch eine Strasse dort hinbauen kann? Warum sich den gleichen Abhang nochmal runterquälen, wenn per Seilrutsche drüberschweben kann? Warum in Gebieten mit starkem Zeitregen gegen GDs kämpfen, wenn man unter einem Zeitregenunterstand das schlechte Wetter einfach abwarten kann?

 

Mal abgesehen davon, dass das Game von Kojima so angelegt ist, dass man sich den Weg von einer UCA-Station zur nächsten soundso kaum merken kann, werden einem beim erneuten Durchspielen wiederum andere mitbenutzbare Konstruktionen von neuen Gamern, die an jeweils anderen Orten platziert sind, zugewiesen, so dass das Gameplay anders verläuft. Je mehr sich der Gamer auf die komplett individuelle Logik des Games einlässt, desto mehr spielerische Freiheit gewinnt er dadurch. Kojima meinte allerdings auch, dass es storytechnisch zur Zeit noch keine befriedigende Lösung für Open World-Games gibt. Auch das merkt man Death Stranding an, aber es holt zumindest überall das Maximum raus.

 

100 / 100

 

Wertung gesamt: 100 / 100

 

Fazit: "Eigenwilliges Videospielkunstwerk, dass sich nicht unbedingt beim ersten Anspielen erschliesst, aber ansonsten der Konkurrenz in allen Belangen meilenweit überlegen ist."

 

 

Bearbeitet von Master Kenobi
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