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IGNORIERT

Test: Sine Mora im Test für die PS Vita - Das wurde aber Zeit


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Eine Ironie, dass ein Titel mit verheißungsvollem Namen Sine Mora, was lateinisch so viel wie „ohne Verzögerung“ bedeutet, mit fast neun Monaten Verspätung gegenüber dem XBLA-Release auch im PSN eintrudelt. Ob die Gemeinschaftsarbeit von Digital Reality und Grasshopper Manufacture seinen Vorschusslorbeeren gerecht wird, und ob sich das lange Warten auch für die Besitzer von PS3 und PS Vita gelohnt hat, erfahrt ihr in unserem Test.

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Dieselbe Gleichung neu gelöst

Und ohne Umschweife sei vorweggenommen: es hat sich gelohnt. Sine Mora ist ein Kleinod von Spiel und holt aus dem sonst so simpel gestrickten Genre des Shmup alles heraus, um einen sowohl daheim vorm Fernseher, als auch unterwegs mit Sonys Handheld zu fesseln. Seitwärts scrollende Shooter, ob im Weltraum oder in der Luft angesiedelt, gibt es schon seit den Anfängen der Videospiele und wurden immer weiter verfeinert, an deren Ende nun Sine Mora steht, welches mit frischem Wind und starker Präsentation neue Maßstäbe setzt.

An der Formel „Fahrzeug bewegen – Schießen – Kugeln ausweichen“ änderten das ungarische Studio von Digital Reality sowie das japanische Grasshopper Manufacture mit dem verehrten Suda51 als Chefproduzent nicht viel und doch eine ganze Menge: man steuert ein Flugzeug vor malerischen Landschaften und bekämpft eine schießwütige Armada feindlicher Flieger und bildschirmfüllende Endgegner. Ebenfalls nicht neu ist das Aufsammeln von Power-Ups für die Bordkanone sowie für die Spezialwaffen oder Bonuspunkte. Neu hingegen ist das Element der Zeit: In Sine Mora kann man per Tastendruck die Zeit für einige Sekunden verlangsamen und somit leichter feindlichen Projektilen ausweichen. Ferner läuft permanent ein Timer herunter, welchen man durch Abschüsse wieder um einige Sekunden auffüllen kann. Wird die im Gegensatz zum Flugzeug recht kleine Hitbox dann doch erwischt, werden kostbare Sekunden abgezogen. Ist die Zeit abgelaufen, verliert man ein Leben. Ein Gegentreffer bedeutet zudem den Verlust sämtlicher Waffenupgrades, die sich dann vom Flieger lösen und noch eingesammelt werden können, ehe sie vom Bildschirm verschwinden.

Die Zeitmechanik ist der entscheidende Kniff. Sie verzeiht ein oder zwei missglückte Ausweichmanöver, treibt den Spieler aber immer wieder zur Eile an. Mit bloßem Ausweichen alleine kommt man nicht weiter, man ist immer zur Offensive gezwungen. Was den aufgrund äußerst aggressiv ballernder Gegner ohnehin schon fordernden Schwierigkeitsgrad noch weiter in die Höhe schraubt. Sine Mora sieht nicht nur schön aus, es ist vor allem auch schön schwierig.

 

Eine Story ohne Happy End

Sine Mora spielt in der fiktiven Welt Seol, wo alle Bewohner anthropomorphe Lebewesen, also menschenähnlich mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Tierzügen sind. Doch anders als etwa bei einem sternenfahrenden Fuchs oder einem Hund im fliegenden Roboter von anderen Spielreihen ist die Geschichte sehr erwachsen wie auch dystopisch: Man erfährt im Prolog, dass das Layil-Imperium durch einen massiven Luftschlag die Nation der Enkie ausgelöscht hat und an dessen Einwohnern einen Genozid betreibt. Die wenigen überlebenden Enkie bilden einen Widerstand, der angesichts eines überlegenen Feindes auf verlorenem Posten steht.

Den weiteren Verlauf verfolgt man aus der Sicht von sechs spielbaren Protagonisten sowie eines gekaperten Roboters, jeder von ihnen hat eigene Beweggründe: der verbitterte Kopfgeldjäger Ronotra Koss will seinen Sohn rächen, der als Einziger den Bombenabwurf verweigerte und dafür vom Imperium hingerichtet wurde. Koss zwingt außerdem die Mechanikerin Myryan Magusa, ihm zu helfen, andernfalls würde er sie als im Imperium untergetauchte Enkie entlarven. Unter anderem programmiert sie den gekaperten Roboter wegen dessen benötigter Zielgenauigkeit um. Die Widerständlerin Akyta Dryad verbündet sich mit der Enkie-Adeligen Durak und dem übergelaufenem Piloten Lynthe Ytoo zu einer Verzweiflungstat, und der imperiale Agent Argus Pytel schließlich verfolgt eine eigene Agenda. Als Dreingabe für die PS3 gastiert Wilhelmine Muller aus Under Defeat als wählbarer Bonuscharakter, ohne (da aus einem anderen Spieluniversum stammend) selbst in die Geschichte einzugreifen.

Dabei ist die Handlung nicht nur bloßes Beiwerk: in jedem der zwölf Level schlüpft man in die Rolle eines anderen Piloten und bekommt dafür eine andere Spezialwaffe abhängig von deren bevorzugten Flugzeugtyp. Lynthe Ytoo etwa, kann einen Powerlaser aktivieren, der auch gegnerische Geschosse schluckt, Myryan Magusa erhöht die Grundfeuerkraft mittels Drohnen und Ronotra Koss zündet eine Smartbombe, welche den halben Bildschirm mit Zerstörung belegt.

 

Den Bildersturm auf dem Schirm

Grafisch zählt Sine Mora zu dem Besten, was es derzeit an herunterladbaren Spielen gibt: man durchfliegt detailreiche Landschaften voller wilder Schönheit und technologischem Fortschritt. Man erlebt die Welt von Seol anhand zerstörter Bauten, untergegangenen Zivilisationen und einer Natur, die sich nach dem Wegfall des schlimmsten Raubtieres zurückholt, was ihr gehört. Für die grafische Gestaltung zeigt sich Mahiro Maeda verantwortlich, welcher bereits Beiträge zu Animatrix und den Anime-Einlagen der Kill-Bill-Filmreihe geleistet hatte. Das Setting lässt sich am ehesten als Diesel-Punk bezeichnen – Maschinen, welche nach heutigen Maßstäben teilweise schon veraltet sind oder schon seit Jahrzehnten in unveränderter Form benutzt werden, und der gleichzeitige Verzicht auf das Sterile, Stromlinienförmige. Nicht umsonst erinnert der eigene Bolide an Flugzeuge aus beiden Weltkriegen.

Die Zweidimensionalität wird vor allem während der Cutszenen regelmäßig durchbrochen, am ehesten lässt sich das Spiel als 2,5D – Erlebnis beschreiben. Die Bossgegner sind monströse Maschinen mit Wiedererkennungswert: mal ist es ein Kraken, mal ein haushoher Zug, auch ein Riesenroboter sowie eine mechanische Libelle finden sich auf Feindesseite. Sie alle müssen in mehreren Abschnitten zerstört und Schwachstellen zum Beschuss ausfindig gemacht werden. Zum Bestaunen der lebendigen Landschaften wie auch der Gegnerschar hat man als Spieler jedoch wenig Zeit, das Geflecht aus feindlichen Projektilen bestraft jede Unachtsamkeit gnadenlos.

Es sind die kleinen Details, welche Sine Mora ausmachen: abgeschossene Feinde explodieren formschön im Feuer, im Zuge des Gefechts mit den Bossgegnern brechen deren Einzelteile ab und geben ihr Innenleben preis, man bekommt wirklich das Gefühl, dass man ein stählernes Biest niederringen muss, mit möglichst starker Bewaffnung und der Zeit als wenig vertrauensvollen Verbündeten im Nacken. Allerdings gibt es hier auch Kritik, denn mehr als einmal wird der Spieler irritiert, was denn nun zum Hintergrund gehört und was zu einem Hindernis, in welches man nach Kräften eigentlich nicht hinein krachen sollte. Ärgerlich, wenn man vorher einem mörderischen Feuerhagel schadlos entkommen ist, um dann unachtsam gegen eine niedriger werdende Höhlendecke zu fliegen.

 

Musik zur bewegten Poesie

Dem hohen grafischen Niveau steht auch der Soundtrack in nichts nach: für die musikalische Untermalung ist niemand Geringeres als Akira Yamaoka verantwortlich, den meisten als langjähriger Komponist für die Silent Hill-Reihe und für Shadows Of The Damned bekannt. Im Intro wird man zu fallenden Federn noch mit zarter Klaviermusik begleitet, in der feindseligen Welt von Seol indes zu teils ruhigen Stücken wie auch zu flotten Electrobeats, besonders bei den Endgegnern. Die Soundeffekte indes sind nicht ganz so gelungen: die Geräusche, welche einem die Aufnahme von Powerups oder den Verlust selbiger mitteilen, erfüllen ihren Zweck, die Standardwaffe kommt jedoch ohne richtigen Wumms daher. Was allerdings gerade in diesem Genre zu verschmerzen ist.

Originell wie befremdlich dagegen die Sprachausgabe. Sind sämtliche lesbaren Texte noch komplett in Deutsch gehalten, unterhalten sich die Charaktere ausschließlich auf Ungarisch. Auch die jedes Kapitel einleitenden Texttafeln werden von einem ungarischen Sprecher vorgelesen. Der Hintergrund dazu ist einfach: das in Budapest heimische Studio von Digital Reality benutzte ihre Landessprache als Platzhalter für eigentlich vorgesehene Tonspuren in anderen Sprachen, am Ende jedoch gefiel diese Variante allen Beteiligten, weswegen man sie für das fertige Spiel beibehielt. Außerirdisches Kauderwelsch bleibt einem erspart, außerdem vermittelt Ungarisch aufgrund seiner fehlenden Verwandtschaft zum lateinischen oder germanischen Sprachkreis eine gewisse Fremdartigkeit.

 

Willkommen in der Hölle

Wem der Storymodus zu langweilig wird, kann sich in drei weiteren Spielmodi beweisen: der Arcademodus fängt direkt mit erhöhter Schwierigkeit an, verzichtet auf Cutszenen und stellt lediglich drei Credits zur Verfügung, danach ist das Spiel vorbei. Im Punktejagd-Modus kann man bereits gemeisterte Level neu spielen und seine eingeheimsten Punkte mit denen anderer Spieler in einer Rangliste vergleichen. Und Boss-Training ermöglicht genau das: bereits bezwungene Bossgegner kann man erneut zum Gefecht bitten.

Das Training hat man auch bitter nötig, denn auf höchster Schwierigkeit vergibt das Spiel nichts mehr, man hat weniger Zeit und noch mehr Projektile zum Ausweichen. Manche Abschnitte sind nur mit chirurgischer Präzision und überdurchschnittlichen Reflexen zu meistern – oder durch viel Übung. Sine Mora belohnt Einsatz, es schenkt nichts her, aber wenn man einmal die Rangleiter empor geklettert ist, kann einem niemand diesen Erfolg mehr nehmen. Da ist es hilfreich, dass das Spiel einen extremen Suchtfaktor hat. Dem Mix aus Andersartigkeit und Altbewährtem kann man sich, einmal erlegen, nur schwer wieder entziehen. Das Spiel genießt es förmlich, einem mit unerbittlichem Beschuss und Reaktionstests zu quälen – dann muss man eben versuchen, es mehr zu genießen.

 

Der feine Unterschied

Wenngleich Sine Mora sowohl auf der PS3 als auch der PS Vita veröffentlicht wurde, wird kein Cross Buy unterstützt, man muss sich also beide Versionen zu je 9,99 Euro separat zulegen. Die Vita-Fassung ist jedoch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Rezension für PS-Plus-Kunden gratis erwerbbar und somit definitiv einen Versuch wert.

Die Unterschiede zwischen beiden Versionen sind jedoch gering: Käufer der PS3-Version bekommen zusätzlich den Herausforderungsmodus, welcher fünfzehn bockschwere Tests bietet, durch die man sich nacheinander kämpfen darf. Die Vita-Version indes unterstützt die near-Funktion, per GPS gesammelte Kilometer schalten nach und nach Galeriebilder mit Konzeptzeichnungen frei. Wer einmal alles gesehen haben möchte, muss also den Äquatorumfang in Kilometern zusammenbekommen. Trophäensammler dürfte zudem noch interessieren, dass beide Versionen über eigene Trophäenlisten verfügen, welche sich jedoch auch nur in einer Trophäe unterscheiden.

Am ehesten merkt man den Unterschied im Gameplay: aufgrund eines größeren Bildschirms mit höherer Auflösung eignet sich der heimische Fernseher besser für das Spiel als die PS-Vita, auf der sich einige Feuergefechte aufgrund winziger Projektile schnell in hektische Kurzschlussreaktionen entwickeln, weil man im dem Gewirr kaum noch etwas erkennt. Die PS3-Fassung spielt sich daher einen Tick weniger unmenschlich als auf dem Handheld.

 

Fazit

Nur wenige PSN-Titel verdienen es, als essentiell bezeichnet zu werden. Journey hat es sich ebenso verdient wie auch Sound Shapes oder Payday: The Heist. Sine Mora gehört in diese Aufzählung mit dazu. Man wird es verfluchen und man wird es lieben. Einzigartige Ästhetik trifft ein diabolisches Spielprinzip – leicht zu lernen, doch schwer zu meistern. Wer ein gerütteltes Maß an Nerven hat und seinem Reaktionsvermögen eine echte Strapaze zumuten möchte, wird hier voll bedient.

Besser noch, wenn man ein Auge und ein Ohr während der Schlachten für die Schönheit findet, die Sine Mora bietet. Eine grausame Welt voller Bewohner, die nur in Extremen denken, und dabei doch so bizarr anziehend. Wer zehn Euro entbehren kann, sollte sie in Sine Mora investieren. Wer eine PS-Plus-Mitgliedschaft und eine PS-Vita hat, kann sich derzeit nicht herausreden, gerade solch ein Meisterwerk links liegen zu lassen. Auf dem Berg aller Spiele, bei denen man von links nach rechts scrollt und haufenweise Gegner abschießt, thront nun Sine Mora allein und unangefochten. Und es dürfte auf Jahre hinweg schwer werden, das Spiel von dort zu verdrängen.

 

9 /10

     

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